Die Digitalisierung verändert gerade viele Branchen und Berufsbilder grundlegend. Manche Berufsbilder werden völlig ausgelöscht, andere werden neu entstehen. Die Disruption betrifft aber auch Wörter, Sätze und Fragen. Die Frage nach einem Telex oder Faxgerät hört man heute nur noch selten. Wie dieser digitale Wandel unser HR-Verständnis verändert, erklärt Norbert Schuster in diesem Gastartikel.
Norbert Schuster ist Strategieberater, Autor und Speaker für die Digitalisierung im Marketing, Vertrieb und HR. Seine Schwerpunkte sind modernes Lead Management, Marketing Automation, Candidate Relationship Management und HR-Automation. Er hilft Unternehmen das Potenzial der Digitalisierung für ihre Vermarktung und ihren Rekrutierungsprozess zu nutzen. Neben offenen Seminaren bietet er Beratung und Umsetzungsunterstützung für Unternehmen an. Er ist Speaker, Referent und Autor der Bücher „Marketing-Automation für Bestandskunden“, „Leadmanagement“ und „Die Inbound Marketing Methode“.
Gastbeitrag von Norbert Schuster,
Strategieberater, Autor und Speaker für die Digitalisierung im Marketing, Vertrieb und HR.
Nicht nur die Frage nach dem Faxgerät hat bereits ausgedient. Auch Fragen wie: „Warum glauben Sie der richtige Bewerber für unser Unternehmen zu sein?“ sind quasi schon Geschichte. In Zeiten von Digitalisierung, Fachkräftemangel und „War for talents“ stellen die Bewerber die Frage: „Warum glauben Sie das richtige Unternehmen für mich zu sein?“
Diesem Trend versuchen viele Unternehmen mit Employer Branding zu begegnen. Sie versuchen sich als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und ihre Arbeitgebermarke aufzubauen. Um sich interessant für neue potenzielle Bewerber darzustellen, gilt es grundsätzlich drei Fragen zu beantworten:
- Was haben wir als Unternehmen zu bieten?
- Für wen wollen wir uns attraktiv darstellen?
- Was ist für die “Erwählten“ attraktiv?
Fragen, die wir auch im Marketing und Vertrieb beantworten sollten. Dort nutzten wir schon seit einiger Zeit Methoden und Tools, um die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Warum sollte man diese nicht auch auf den HR-Bereich übertragen?
Ein wichtiges Element im modernen Lead Management und Marketing Automation ist Empathie. Denn nur mit Empathie kann man seine Wunschkunden und deren Kundenreise verstehen, den passenden Content entwickeln und die passenden Prozesse aufbauen, um mehr qualifizierte Leads zu generieren und Bestandskunden zu reaktivieren. Das Ziel: ein optimales Customer, beziehungsweise im HR, ein optimales Candidate Experience Management aufzubauen.
Die fünf Pfeiler des Candidate Managements
Buyer Persona / Candidate Persona
Um Wunschkunden zu verstehen erstellt man am besten „Deep Buyer Persona“ Profile. Also keine „Onpage-Personas, sondern detaillierte Wunschkundenprofile. Um Bewerber besser zu verstehen sollten Sie somit „Deep Candidate Persona“ Profile erstellen.
Customer Journey / Candidate Journey
Die Reise des Kunden durch seinen Kaufprozess analysiert man mit dem Customer Journey Modell. Die gleiche Mechanik können sie für die Candidate Journey, die Reise des Bewerbers vom ersten Interesse, über die Bewerbung, die Einstellung zum Onboarding und Arbeitsalltag nutzen.
Content Marketing
Den passenden Content analysieren und erstellen Sie mit Content Marketing. Mit den gleichen Methoden und Tools können Sie auch Content für die idealen Bewerber entwickeln und sie somit optimal und direkt ansprechen.
Lead Nurturing / Candiate Nurturing
Interessenten bietet man mit Lead-Nurturing Prozessen den zu ihrem Stadium im Kaufprozess passenden Content an. Mit Candidate Nurturing Prozessen entwickeln Sie Bewerber vom ersten Interesse bis zur „Bewerbungsreife“ und begleiten sie über das Onboarding bis zum Arbeitsalltag.
Marketing Automation / HR-Automation
Die Lead-Nurturing Prozesse werden in einer Marketing Automation Plattform (z.B. Evalanche von SC-Networks) implementiert und entwickeln Leads bis zur Kaufreife. Die gleichen Plattformen können Sie auch für Ihre HR-Automation nutzen und so Ihr Candidate Relationship Management automatisieren.
Candidate-Persona-Profil
Erstellen Sie für jede zu besetzende Position ein Candidate-Persona-Profil. Beginnen Sie dazu immer mit einem Namen und einem Bild. Vielleicht haben Sie ja schon in der Vergangenheit einen idealen Bewerber für die vakante Position eingestellt. Dann „leihen“ Sie sich einfach seinen Namen und sein Bild für Ihr Profil aus. Hatten sie noch keinen idealen Bewerber für die Position, nutzen Sie einen Kunstnamen wie z. B.:
- Volker Vertriebsleiter
- Michael Mechatroniker
- Monika Marketingassistenz
- usw.
Der Name wird natürlich nur intern benutzt und soll keine Einschränkung auf ein Geschlecht darstellen, sondern nur ein Hinweis auf den typischen Bewerber sein. Das Profil ist keine Ansammlung von Selektionskriterien, sondern soll den typischen Bewerber, sein Profil und sein Verhalten beschreiben.
Fragen für ein exemplarisches Profil:
- Bisherige Position
- Alter
- Geschlecht
- Familienstand
- Kinder
- Ausbildung
- Erfahrung
- Besonderheit
- usw.
Das „Strickmuster“ Ihrer Candidate-Persona / Verhaltenspräferenzen
Wie ist Ihre Candidate-Persona „gestrickt“? Was treibt sie an? Bei einem einzelnen Bewerber kommen oft die bekannten Motiv-Struktur-Analysetools (Reiss-Profil, DISG, oder INSIGHTS MDI® & Co.) zum Einsatz. Bei Ihrer Candidate-Persona können Sie z. B. auch nach dem INSIGHTS MDI® Modell definieren, welche Mischung von Verhaltenspräferenzen der ideale Bewerber mitbringt und wie Sie ihn demzufolge ansprechen sollten:
- Rot – Dominanz, Status, Anerkennung, Macht
- Gelb – Neugier, Innovation, Entdecken
- Grün – Sicherheit, Balance, Harmonie
- Blau – ZDF Zahlen, Daten Fakten
Neben dem Strickmuster der Candidate-Persona sollten Sie weitere Merkmale definieren, die Ihren Wunschbewerber beschreiben. Das können zum Beispiel folgende Merkmale sein:
- Berufliche und persönliche Ziele
- Treiber/Motivatoren
- „Influencer“
- Prioritäten
- Angestrebte Tätigkeitsschwerpunkte
- Entscheidungskriterien
- Hinderungsgründe
- usw.
Kompetenz-Diagnostik und –Entwicklung mit KODE®
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Bewerbers und des Candidate Persona-Profils sind die Kompetenzen des idealen Bewerbers. Für die Definition der notwendigen Kompetenzen nutze ich z.B. KODE® - eine Methode zur Kompetenz-Diagnostik und –Entwicklung.
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Candidate-Nurturing
Eine weitere „Anleihe“ aus dem Marketingbereich sind Prozesse für die Entwicklung von Interessenten – Lead-Nurturing. Wie eben schon angesprochen, geht es hier darum, den Interessenten automatisiert, individuell relevante Informationen passend zu seinem Stadium im Kaufprozess anzubieten.
Auch dieses Vorgehen können Sie für Ihren Recruiting-Prozess sehr gut adaptieren, um die „Candidate Experience“ zu optimieren. Die Basis für „echte“ Nurturing Prozesse ist eine detaillierte Customer- bzw. Candidate Journey Analyse. Denn fünf Emails in Folge sind kein Nurturing, sondern SPAM und Belästigung. Der Prozess muss den Weg des Bewerbers durch den gesamten Bewerbungsprozess widerspiegeln. Sie müssen seine Ziele verstehen, seine Fragen beantworten und ihm relevante Inhalte anbieten.
Im klassischen Bewerbungsprozess erleben es Bewerber oft, dass sie nach der Bewerbung erst einmal nichts mehr vom Unternehmen hören. Oft genug erhält der Bewerber noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung seiner Bewerbung. Nach einer Studie (Jobsuche 2014) erwarten Bewerber nach max. 2 Wochen eine Nachricht vom Unternehmen. Und 79% der Bewerber empfinden Unternehmen als unsympathisch, wenn sie keine Antwort bekommen. Dieser Eindruck kann sogar Auswirkungen auf das weitere Kaufverhalten der Bewerber haben. Verärgerte Bewerber kaufen in der Regel nicht mehr bei dem Unternehmen ein.
Mit Candidate-Nurturing Prozessen senden Sie dem Interessenten passend zum Stadium im Bewerbungsprozess relevante Informationen. Zum Beispiel über das Unternehmen und die Position – individuell, aber automatisiert. Der Bewerber erhält so regelmäßig Informationen von Ihrem Unternehmen. Das gibt dem Bewerber ein gutes Bild über Unternehmen und Position, bereitet ihn auf mögliche Gespräche vor und unterstützt die Candidate-Experience und letztendlich auch die Reputation Ihres Unternehmens.
Fazit
Employer Branding ist ein guter Anfang, um die Attraktivität von Unternehmen für Bewerber und potenzielle neue Mitarbeiter zu steigern. Für die konkrete, messbare Umsetzung können Sie Candidate Relationship Management und HR-Automation für Ihren Erfolg im Recruiting zielführend einsetzen.
Gastbeitrag von Norbert Schuster, strike 2 – Digitalisierung in Marketing und Vertrieb